Millionen Menschen nutzen tagtäglich das Metro-Netz von Mexiko-Stadt, es transportiert sie schnell unter und über die Stadt. Doch ein schweres Unglück mit 24 Toten wirft die Frage auf, wie sicher sie ist.

Kurz vor 23 Uhr am vergangenen Montagabend liefen die Erstmeldungen ein: Zug auf Höhe der Metrostation Olivos entgleist, Brücke kollabiert. Auf ersten Fotos sieht man zwei Waggons der städtischen Metro, die nach unten gestürzt sind und auf den Trümmern der Überführung liegen. Schnell wird klar, dass es zahlreiche Opfer gibt. Laut Angaben der “Protección Civil” (Katastrophenschutz) sind 24 Menschen beim Sturz der zwei Waggons gestorben, 49 wurden mit Verletzungen in umliegende Krankenhäuser gebracht.

Es ist nicht der erste Unfall der Metro in Mexiko-Stadt in diesem Jahr. Im Januar zerstörte ein Feuer eine Kommandozentrale, wochenlang war der Betrieb auf drei zentralen Linien eingeschränkt. Und 2020 prallten zwei Züge in einer Station im Westen der Stadt aufeinander, dabei starb ein Mensch.

Noch in der Unglücksnacht gab es erste Erkenntnisse. In sozialen Medien wurde ein Video verbreitet, welches von einer Überwachungskamera festgehalten den plötzlichen Zusammenbruch der Brücke zeigen soll – in dem Moment, als einer der orangenen Metro-Züge drüberfuhr. Die Bürgermeisterin von Mexiko-Stadt, Claudia Sheinbaum, teilte mit, dass einer der Pfeiler der Brücke eingebrochen sei. Doch noch laufen die Bergungs und Aufräumarbeiten, mehr wird man im Laufe der nächsten Tage wissen.

Die Ost-West-Linie 12 verbindet den bis dahin eher abgelegenen Stadtteil Tláhuac mit diversen Strecken, die von Norden kommend im Süden dieser Metropole enden. Die städtische Untergrundbahn wurde seit Ende der sechziger Jahre erschaffen, sie transportiert täglich 4,6 Millionen Einwohner durch die Stadt. Linie 12 war das letzte realisierte Großprojekt der “Metro”. 2012 war sie eingeweiht worden.

Ich war vergangenes Jahr im Bereich der Unglücksstelle unterwegs, als ich von einem Treffen im weiter südöstlich gelegenen Stadtteil Tláhuac, wo ein Künstler anlässlich des Tag der Toten Skelette konstruiert hatte, zurückfuhr. Mein Weg führte mich entlang der vielbefahrenen Avenida Tláhuac Richtung Westen, über mir thronten die mächtigen Stelzen der Metrolinie L12 – eben die, die nun vom Unglück betroffen ist.

Die Avenida Tláhuac, über der die Metro-Linie L12 verläuft.

Die Gegend dort war früher Teil des großen Seensystems im Tal von Mexiko, später lagen hier Felder. Nördlich wird es durch die Sierra de Santa Catarina begrenzt, einer Kette von West nach Ost verlaufender Höhen und einstiger Vulkane, die sich vor 500 Jahren noch als Halbinsel in das Seensystem hineinschoben (und entlang derer Hernán Cortés vor 500 Jahren in Tenochtitlan einzog).

Doch das ist längst Geschichte. Die östliche Endstation der “12” wurde zwar am Rand eines Naturschutzgebiets platziert, nahe des historischen Ortskern von Tláhuac, der schon zu Zeiten der Spanier vor 500 Jahren bewohnt war – allerdings damals als Insel inmitten eines Sees. Doch ab dort durchquert – oder besser überquert – die “Linea dorada”, die goldene Linie (so genannt wegen ihrer Symbolfarbe), ein dichtbesiedeltes Gebiet.

Von oben betrachtet wirkt die Gegend um die Unglücksstelle heute wie ein endloses Straßenlabyrinth. Südlich der Avenida, einstmals Felder, sind zahlreiche Wohnviertel entstanden. Es ist eine “bescheidene” Gegend, wie ich bei mehreren Touren erleben konnte – eine “zona humilde”, die offensichtlich nicht von Oberschichtsmitgliedern bewohnt wird. Unten, am Boden, ist es laut (Verkehr), bunt (die Lädenaufschriften), grau (die Häuser) und voll. Die Avenida Tláhuac ist eine Hauptverkehrsachse, auf der zahlreiche Microbusse unterwegs sind, die sich unter den Pfeilern der Metro und sich selbst Konkurrenz machen. Als Fahrradfahrer wie ich muss man da aufpassen.

Avenida Tláhuac, westlich der Unfallstelle. Die Linie 12 der Metro führt auf Stelzen über der Straße, sie wurde 2012 erbaut.

Die Unglücks-Strecke ist oberirdisch angelegt worden. Das ist übrigens in Mexiko-Stadt nicht unüblich. Über etliche Kilometer hinweg spannt sich etwa der “Segundo Piso” (zweites Stockwerk), eine mautpflichtige Schnellstraße, über dem alten Umgehungsring der Stadt. Im Norden wurde jüngst die erste Seilbahnstrecke der Stadt für den öffentlichen Personennahverkehr eingeweiht. Und gefühlt zahllose Brücken stehen Fußgängern (und auch Radfahrern) zur Verfügung, um die ebenfalls gefühlt überall präsenten Schnellstraßen dieser Stadt gefahrlos überqueren zu können.

Vorerst ist die Linie 12 außer Betrieb, auch die darunterliegende Avenida Tláhuac musste wegen der Bergungsarbeiten gesperrt werden. Warum die Brücke einstürzte ist noch unklar. Die Linie 12 kämpfte Berichten zufolge schon bald nach dem Start mit Qualitätsmängeln. 2017, beim Erdbeben, wurden Pfeiler beschädigt. Nachbarn sollen noch vor Kurzem vor Schäden an der nun eingestürzten Brücke gewarnt haben. Nun also das Unglück. Wer ist verantwortlich? Der damalige Bürgermeister und heutige Außenminister? Die Verantwortlichen der Metro? Die damalige Baufirma? Die derzeitige Regierungschefin von Mexiko-Stadt hat Aufklärung versprochen.

Nur eines ist klar: Die Katastrophe und die Sperrung treffen die, die am wenigsten besitzen. Die, die am Rand dieser Riesenstadt wohnen und mit der günstigen Metro zu ihren Arbeitsplätzen unterwegs sind, morgens hin, abends zurück. Als das Unglück passierte.

Für betroffene Angehörige haben die Rettungskräfte eine Liste der bislang Geretteten erstellt, die in Krankenhäuser gebracht worden seien.



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