Irgendjemand macht immer hier in Mexiko-Stadt Musik. Aber nicht unbedingt für lau. Und manchmal mit Kompositionen aus Deutschland.
Paukenschläge, dazu Trompetenfanfaren: Gruppen wie diese hier sind in den Straßen von Mexiko-Stadt immer wieder zu sehen und zu hören. Sie laufen durch die „Barrios“, die Stadtviertel dieser Metropole, und bitten dann um eine kleine Spende.
Nett also. Und je nachdem ob es sich ergibt geb ich auch gern was dazu.
Dann gibt es wiederum die „músicos“ (Musiker), die die Restaurants abklappern. Sich vor den Eingang stellen und zwei oder drei Lieder zum Besten geben. Die Bandbreite reicht von Marimba-Musik aus Veracruz (mit Xylophon) über Schnulzen aus den 50er Jahren bis hin zu aktuellen Pop-Hits. Spende? Klar, gerade in diesen Zeiten der Pandemie. Was man da so gibt in Mexiko-Stadt? Üblich sind zwischen fünf und zwanzig Pesos, das sind etwa 20 bis 90 Cent.
Eher selten sieht man die Mariachis, die prachtvoll gekleideten und fast schon stereotypisch für Mexiko stehenden Gruppen aus fünf bis sechs Musikern und einem Sänger (oder Sängerin), und wenn, dann in Touristen-Hotspots. Das hängt vielleicht auch damit zusammen, dass sie vorwiegend gebucht werden für Anlässe, etwa für eine Hochzeit oder ein Ständchen. Sie schmettern bekannte Klassiker der mexikanischen Ranchera-Musik. Das sind sozusagen Cowboy-Songs, die durch Filmstars in den vierziger Jahren bekannt wurden – mit schmalzigem Gefühl ins Mikrofon und der verehrten Angebetenen ins Gesicht gehaucht. Solche Lieder kommen auch bei Privatpartys gern zum Einsatz.
Allerdings kommt dann auch der „Rey“ (König) des großartigen Ranchero-Musikers José Jiménez ins Spiel, und dabei geht es eher um den trinkfesten Hombre oder Macho. Der, der selbst wenn er nix hat, trotzdem was ist. Mann halt.
Nett also, das musikalische Mexiko der Straße. Aber es gibt auch die Nachbarn. Und anders als in Deutschland, wo man bei jeder Ruhestörung Polizei, Ordnungsamt und Bundeswehr zu Hilfe rufen würde, muss man sich hier in Mexiko in das Unvermeidliche fügen und die Musik hinnehmen – egal in welcher Lautstärke, egal welche Gattung.
Das läuft dann so ab, das an der Straße eine Werkstatt tierisch laut Werbung für sich macht. Im Supermarkt die Musik aufgedreht wird, unterbrochen von Werbehinweisen. Oder bei meinem Friseur, pardon „barbero“ (Barbier), Techno aus der Lautsprecherbox dröhnt. Ist ja auch egal, bei dem Straßenlärm draußen vor der Tür.
Neulich dröhnte Modern Talking zu uns rüber, Cheri Cheri Lady. Dann war es auch mal Rock von Caifanes (Mexiko), Boleros von Luis Miguel (Mexiko) oder doch wieder Nena (Deutschland). Ab und an schrillt Norteña-Musik aus irgendeinem Haus herüber. Das ist auch Cowboy-Musik, allerdings in Verbindung mit schrillen Trompetenklängen und ebenso schrill dahinplärrenden Músicos. Ganz ehrlich: Da ist mir fast schon Modern Talking lieber. Ach ja, Hip-Hop, Rap und Latin Pop sind natürlich auch vertreten. Querbeet und manchmal laut.
Aber es bringt nix, sich darüber aufzuregen. Soll ich die Übeltäter aufsuchen und sie zur Rede stellen? Das würde folgendermaßen ablaufen: Oh, klar, wir machen die Musik leiser. Bleib beruhigt. Zehn Minuten später ist sie wieder laut. Oder es gibt Ärger, wer weiß wen ich da anspreche.
Oder man macht es andersherum, dreht selbst die Musik auf. Und tanzt dazu. Und genießt die Töne von der Straße, Spende inklusive für die, die es nötig haben. Das ist immer noch besser, als sich aufzuregen …