Nichts erinnert im Alltag wirklich daran, dass hier einstmals ein Damm gestanden haben soll. Ein Damm, der vor 500 Jahren schnurgerade das Festland von Süden kommend mit der reichen Insel Tenochtitlán im See von Texcoco verband. Tenochtitlán war damals die prächtige Hauptstadt der Azteken, die Spanier zeigten sich beeindruckt vom Panorama der von Wasser umgebenen Metropole, als sie die erstmals erblickten.
Der See ist längst ausgetrocknet. Die Azteken Vergangenheit. Heute ist der einstige Damm eine vielbefahrene Straße, die mehrere hundert Meter weiter am Hauptplatz des heutigen Mexiko-Stadt endet. Aber genau hier soll vor heute 500 Jahren der aztekische Herrscher Moctezuma II. auf den spanischen Conquistador Hernán Cortés gestoßen sein – freundschaftlich, höflich war das Treffen, aber sicherlich geprägt von tiefem Misstrauen seitens der Azteken gegenüber diesem Fremden, der sieben Monate zuvor an der Küste gelandet und seitdem unaufhörlich ins Herz des mächtigen Reiches der Azteken vorgedrungen war.
Hätte Moctezuma vorhergesehen, das dieses Treffen – und seine Einladung an die Spanier, sich in Tenochtitlán als Gäste zu fühlen – eineinhalb Jahre später zum Untergang der Azteken und der Zerstörung ihrer Hauptstadt folgen würde, er hätte sich wohl nicht darauf eingelassen. So aber übernahmen die Spanier nach anfänglicher Taktiererei und Rückschlägen die Macht und errichteten eine Herrschaft, die 300 Jahre andauern sollte – und das heutige Mexiko mit Sprache, Religion und Wirtschaft entscheidend prägen sollte.
An der Stelle, an der am 8. November 1519 Cortés erstmals auf Moctezuma traf, steht heute zur Erinnerung ein Wandgemälde. Ironie der Geschichte, dass die Wand die Rückmauer einer Kirche darstellt, in der heute weitgehend unbeachtet die Reste des spanischen Eroberers liegen?
Miguel Castro