Stand heute (22. März) sind in ganz Mexiko bereits 251 Menschen an Covid-19 erkrankt. Doch Panik, Sorge? Nö. Eindrücke aus Mexiko-Stadt.

Die Straßen sind leerer geworden, diesen Eindruck hat, wer derzeit unterwegs ist. Immer wieder begegnen einem Menschen mit Schutzmasken vor dem Mund, in den Geschäften steht Desinfektionsgel bereit. Restaurants haben wegen des Virus dichtgemacht. Eine Supermarktkette hat angekündigt, dass die freundlichen Senioren, die an der Supermarktkasse den Kunden gegen ein Trinkgeld die Einkäufe in die Taschen packen, zu Hause bleiben. Zu ihrem eigenen Schutz. Und die Regierungschefin der Stadt, Claudia Sheinbaum, verkündet, dass ab Montag Kinos, Museen, Theater, Diskotheken, Sportanlagen und Kindergärten bis zum Ende der Osterferien (20. April) geschlossen bleiben. Mexiko-Stadt ist im Krisenmodus angelangt.

Schon seit einer Woche sind bereits die Schulen größtenteils geschlossen. Behörden und Unternehmen haben mehr und mehr das Home Office entdeckt (eine Unternehmensgruppe bietet Mitarbeitern an, Urlaub für 30 Tage nehmen zu können, allerdings ohne Lohnfortzahlung). Und quasi ständig werden die Mexikaner durch die Behörden und in den Medien daran erinnert, soziale Kontakte und Reisen soweit wie möglich einzuschränken. Ach ja, Händewaschen und Abstand halten natürlich auch. Die mexikanische Regierung hat ein eigenes Informationsportal zu Covid-19 erstellt.

Tatsächlich gehen die Zahlen zur Ausbreitung des Virus Tag um Tag nach oben. Das Land verzeichnet auch seine ersten Corona-Toten, zwei Infizierte mit Vorerkranungen sind im Laufe dieser Woche gestorben (tagesaktuelle Zahlen liefert das Gesundheitsministerium auf seiner Website)

Praktisch hinkt das Land zwei Wochen hinter den Entwicklungen in Europa hinterher. Vielleicht auch nur eine Woche, vielleicht aber auch vier Wochen. Keiner kann das genau sagen, und noch immer spielt Mexiko offiziell in der „Phase 1“ der Pandemie mit: Isolation einzelner Fälle, keine Massen-Tests. Der Präsident verbreitet Zuversicht. Phase 2 wäre dann der „Brote“, der Beginn einer massenhaften Zunahme an Infizierten – die dann möglicherweise das überlastete Gesundheitssystem überfluten könnten. Von Phase 3 ganz zu schweigen.

Schon jetzt sind „Cubrebocas“ (Mundschutz) und „Gel antibacterial“ (Desinfektionsgel) wie anderswo bereits Mangelware. „Cubrebocas? No tenemos, lo siento“. Haben wir nicht, als ich am Samstagmorgen in meinem Wohnviertel danach frage. Erst in einer kleinen „Farmacia“, die wie viele hier eher ein Mix aus Dm-Markt, Lebensmittellädchen und Apotheke darstellt, habe ich Erfolg. Kurz darauf halte ich eine Packung einfacher Masken und zwei Gelfläschen in der Hand. Für den Fall der Fälle. Die speziellen N95-Masken, die effektiv vor einer Ansteckung mit dem Corona-Virus schützen würden, die habe sie aber grad nicht vorrätig, sagt die freundliche Dame hinter dem Tresen. „En un ratito“, in Kürze, erhalte Sie aber eine Lieferung. Ein „ratito“, das können in Mexiko zwei Stunden, aber auch vier Tage sein. Oder auch gar nicht. Die Verkäuferin lächelt.

Wie die Verkäuferin wirken überhaupt hier offenbar viele in Mexiko-Stadt entspannt trotz oder gerade wegen der drohenden Epidemie an den Toren des Landes. Deswegen hat man in der Hauptstadt noch immer den Eindruck, in einer etwas surrealen Situation gefangen zu sein: Zwar werden Flüge weltweit knapp, auch nach und von Mexiko aus. Die Portale der großen Tageszeitungen verbreiten die Schreckensmeldungen aus Europa und der Welt, ist die Rede von Quarantäne, Ausgangssperre und dem Drama der Sterbenden.

Und hier? Verläuft das Leben noch fast wie immer. Der Friseur ist geöffnet, das Café im Stadtviertel auch, in den Läden tummeln sich die Leute, die Metro fährt. Und die Sonne scheint Tag um Tag bei 30 Grad, während die Jacaranda-Bäume jetzt zum Frühlingsanfang mit ihrer purpurfarbenen Blütenpracht das Stadtpanorama bereichern. Unterhält man sich mit den Leuten über Corona, kommen irgendwann Aussagen wie „A ver“, Mal sehen, oder „Esperemos que todo salga bien“. Hoffentlich geht alles gut. Optimismus also statt Niedergeschlagenheit. Oder um die tüchtige Inhaberin unseres kleinen Lieblingslokals gegenüber der Schule sinngemäß zu zitieren: „Hier in der Stadt ist die Luftverschmutzung so hoch, da wird unser Körper schon Antikörper gebildet haben.“ Was mich also schon bislang nicht umgebracht hat, das wird auch das neue Virus nicht.

A ver also. Die Situation bezüglich Corona kann sich binnen weniger Tage verschärfen, vielleicht auch erst in ein paar Wochen. Vertreter der Weltgesundheitsorganisation haben Mexiko jedenfalls ein überraschend gutes Zeugnis ausgestellt. In einem Interview mit „El País“, der spanischen Tageszeitung, kamen sie kürzlich zum Schluss, dass das Land bislang richtig mit dem Virus umgehe. Ob das aber alles helfen werde, eine ähnliche Zuspitzung wie in Europa zu verhindern? Das konnten auch die Experten nicht beantworten.

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