Zeltplanen und Zelte sieht man in Mexiko-Stadt eigentlich überall: Meistens verbergen sich darunter Verkaufsstände an den Straßen. Oder sie dienen als Unterschlupf für Wohnungslose oder Demonstranten – so wie derzeit auf dem Zócalo, dem zentralen Platz der Metropole.
Von oben betrachtet wirkt das Camp von Frenaa am Freitag ein bisschen wie ein buntes Pfadfinderlager: In Reih und Glied sind dort etliche Zelte zu sehen. Ein Redner trägt seine politischen Ansichten vor, Musik ertönt. Später setzen sich die Bewohner dieser Zeltstadt in Bewegung, rund um das Camp gehen sie eine Runde und schwenken Landesfahnen.
Wer da mitmacht, verfolgt politische Interessen: Frenaa ist die Abkürzung für „Frente nacional Anti-Amlo“. Es ist eine oppositionelle Protestbewegung, die sich gegen den amtierenden Staatspräsidenten Andrés Manuel López Obrador (allgemein als „Amlo“ abgekürzt) richtet und vor Kurzem die Zelte auf dem Platz aufschlug – in Sichtweite des Amtssitzes von Amlo, des Palacio Nacional (Nationalpalast).
Zócalo. Oder Plaza de la Constitución.
Am Samstag haben die Frenaa-Aktivisten ihr Camp erweitert, es bedeckt nun einen weiteren Sektor des riesigen Platzes vor dem Nationalpalast. Fast keiner nennt den Platz bei seinem richtigen Namen, der Plaza de la Constitución (Platz der Verfassung). Denn selbst die darunterliegende Metro-Station benutzt den umgangssprachlich verankerten Begriff „Zócalo“ (Sockel). Hier auf dem Platz sollte mal im 19. Jahrhundert ein Standbild errichtet werden. Aber nur das Podest kam zur Fertigstellung, so die Geschichte.
Für den Zócalo dürfte der jüngste Protest nichts Ungewohntes sein: Der riesige Platz, in dessen Mitte normalerweise eine ebenso große Fahne Mexikos weht, ist aufgrund seiner Lage regelmäßig Schauplatz von Messen, Konzerten, Ausstellungen, sogar selbst einer Eisbahn im Winter. Aber vor allem liefert er Protesten und Großfeiern die passende Bühne, sowohl zeitweilig als auch permanent. Vor dem Nationalpalast finden sich beispielsweise immer wieder kleine Gruppen zur Demo ein, wie neulich Fahrradfahrer zum Protest gegen eine neue Brücke. Und zum Unabhängigkeitstag versammeln sich Tausende zur Feier des „Grito“. Nun also Frenaa.
Von Tenochtitlan zu Mexiko-Stadt
Der Platz ist zudem geschichtsträchtig. Er war das Zentrum von Tenochtitlan, der Hauptstadt der Azteken. Wo heute der Nationalpalast steht, trafen die spanischen Eroberer vor 500 Jahren auf den Palast des Moctecozuma, des Herrschers der sich selbst als Méxica bezeichnenden Azteken. Und links vom Palast, wo heute die Kathedrale von Mexiko-Stadt langsam im schlammigen Erdreich zu versinken droht, standen aztekische Priester auf ihren Pyramiden.
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Deren größte Ruine, der Templo Mayor, ist übrigens zwischen Palast und Kirche heute noch zu besichtigten. Wer hingegen den Blick auf den Zócalo genießen will, findet auf der gegenüberliegenden Seite des Nationalpalastes mehrere Restaurants und Cafés auf den oberen Etagen der umliegenden Häuser – darunter Angebote der zahlreichen Juweliers.
Pflichtbesuch für Touristen
Für Touristen, die an diesen Tagen leider nicht die Stadt aufsuchen (können), ist der Zócalo übrigens Pflichtprogramm, denn er ist Ausgangspunkt für Touren durch die historische Altstadt. Schon hier gibt es genug zu entdecken, beim Gang durch die Kathedrale, zum und durch den Templo Mayor und in den Nationalpalast hinein, wo große Wandgemälde die Geschichte von Mexiko wiedergeben.
Diese riesige Plaza ist also üblicherweise alles andere als steril und leergefegt wie mein Bild vom vergangenen Freitag suggerieren mag. Die Covid-19-Pandemie ist schuld daran, dass nicht der übliche Passanten- und Straßenlärm vorzufinden ist, seit März 2020 war der Platz drei Monate lang abgeriegelt. Und wegen des Camps und der aktuellen Proteste rund um das Massaker von Tlaltelolco und eines Frenaa-Marscbes hält die Polizei derzeit die Zufahrtsstraßen zum Zócalo wieder gesperrt.
Aber das ist nur ein Moment auf diesem riesigen Platz. Wer ihn übrigens komplett umrunden will: Jede Seite ist etwa 200 Meter lang …