Neulich in den Straßen der Altstadt: An einem Haus prangt ein Graffiti von Cantinflas – des großartigen Wortkünstlers aus Mexiko-Stadt. Hier erfahrt ihr, warum der 1993 verstorbene Mario Moreno der wohl beste Filmkomiker des Landes war.
Er stellt sich gegen die lokalen Autoritäten. Verweigert als Priester die Taufe eines Babys, weil ihm der Name nicht gefällt. Konjugiert Verben als Ersatzlehrer falsch und wischt Bedenken beseite, weil das nicht konjugierte Verb ihm nun mal so gefalle.
(Texto en español / Text auf Spanisch)
Die Rede ist von Cantinflas, das Alter Ego des mexikanischen Komikers Mario Moreno Reyes. Er ist fast schon so was wie eine Legende, selbst lange nach seinem Tod 1993 im Alter von 81 Jahren in Mexiko-Stadt. Cantinflas, das ist auch Teil meiner Kindheitserinnerungen, wenn mein Vater vorschlug, einen Film über ihn zu sehen. Was hängenblieb: ein lächelnder Mann mit einem zweigeteilten Schnurrbärtchen (abrasiert unter der Nase), der in Schwarz-Weiß lauter Nonsens von sich gibt. Neulich grüßte der mich von der Wand eines Hauses in der Altstadt. In Farbe. Cantinflas, das war und ist Mexiko.
Erst Toreo, dann Schauspieler
Schauspieler Moreno aus Mexiko-Stadt war ein Comediante aus bescheidenen Verhältnissen, der in Mexiko unter seinem Künstlernamen „Cantinflas“ wohl berühmter sein dürfte als so mancher Staatspräsident. 1911 geboren, arbeitete Moreno erst als Schuhputzer, Boxer und sogar Stierkämpfer, bevor sein komödiantisches Talent entdeckt wurde.
Ab 1936 drehte Moreno etliche Filme in der Figur des gewitzten Hombre, der mit Charme und ausgeprägtem Selbstbewusstsein brenzliche Situationen meistert. 1940 hat er seine erste Hauptrolle in der Verwechslungskomödie „Ahí está el detalle“ (zu Deutsch etwa so viel „Das ist der Punkt“) und prägt damit seine Rolle. In „El Padrecito“ beispielsweise agiert Cantinflas als junger Priester und möbelt als solcher eine dörfliche Gemeinde auf. Mit „Por mis pistolas“ zieht er in den Wilden Westen und muss sich mit sturen Grenzbeamten und wilden Apachen auseinandersetzen (eine Übersicht seiner besten Filme gibt es hier).
In Hollywood kommt Cantinflas auch tatsächlich an. Mit Star David Niven an seiner Seite (oder Cantinflas an seiner) dreht Moreno 1956 „In 80 Tagen um die Welt“ und gewinnt einen Golden Globe für seine Darstellung, selbst eine Stierkampfszene dreht er selber. Die Hollywood-Episode in Morenos Leben wurde 2014 mit dem spanischen Schauspieler Óscar Jaenada unter dem Titel „Cantinflas“ verfilmt (siehe unten).
Wer cantifliert, redet Quatsch
Cantinflas beziehungsweise Moreno war aber nicht nur bekannt für seine Darstellung des zumeist einfachen Mannes vor der Kamera, der sich mit den Mächtigen herumschlägt. Das Erfolgsrezept des Mimen: Kontrahenten und Unterstützer in Grund und Boden quasseln und verwirrt zurücklassen, um den eigenen Kopf aus der Schlinge zu ziehen.
Damit schaffte es Cantinflas beziehungsweise Moreno sogar in den spanischen „Duden“, in das Wörterbuch der königlichen Akademie der Sprache (RAE, Real Academia Española): Das Verb „cantinflear bedeute „hablar o actuar de forma disparatada e incongruente y sin decir nada con sustancia„. Unsinnig sprechen oder agieren ohne wirklichen Inhalt. Ein Beispiel ist die Gerichtsszene aus „Ahí está el detalle“. Eine Auswahl an Sätzen findet ihr beispielweise hier.
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Dem cantinflierenden Cantinflas muss man dabei auf Spanisch zuhören, seine Sprache ist nur schwer übersetzbar – was auch der Grund gewesen sein dürfte, warum Moreno in Hollywood nur kurz agierte. Und ich ihn als Kind nur schwer verstand.
Cantinflas für Kinder
Das Graffiti auf dem Foto an der Hauswand zeigt übrigens eine kindliche Version von Cantinflas: 1972 startete Moreno mit dem mexikanischen Fernsehgiganten Televisa eine Zeichentrickserie mit einem Cantinflas, der den Kindern Persönlichkeiten aus der Geschichte erklärt – mit der Stimme von Moreno. Cantinflas the Show wurde jahrelang ausgestrahlt.
Im Film „Si yo fuera diputado“ (Wenn ich Abgeordneter wäre) ruft Cantinflas in einer Rede seinen Zuhörern zu: „Estoy aquí porque no estoy en ninguna parte.“ Ich bin hier, weil ich nirgendwo bin. So wie an der Ecke der Calle Bolívar mit San Jeronimo.
Ihm gegenüber steht ein anderes Graffiti mit einer schrägen Geschichte. Aber das erzähl ich hier auf mexico.voyyestoy.com ein anderes Mal.
Extra: Der Film „Cantinflas“ von 2014
Also: Filme angucken mit Cantinflas, und ihr dürftet verstehen, warum er damals so seine Zuschauer und -hörer begeistern konnte. Aber es gibt auch eine moderne Filmfassung mit oder besser gesagt über Cantinflas: Der mexikanische Regisseur Sebastian del Amo verfilmte 2014 Morenos Gang nach Hollywood und den Dreh von „In 80 Tagen um die Welt“ mit dem spanischen Schauspieler Óscar Jaenada (bekannt aus „Camarón“ und „Hernán“) in der Hauptrolle des Cantinflas. Hier der Trailer.
(Hinweis: aktualisiert 13. Oktober 2020)