Nicht wichtig! Ungefähr das ist die offizielle Begründung für den Produktionsstopp in den mexikanischen Brauereien – eingeschlossen die Corona-Produktionsstätte mitten in Mexiko-Stadt. Und wir sitzen auf dem Trockenen. Wenn es Corona sein muss. Oder eine andere Marke wie ….
Mexikanisches Bier ist weltweit der Renner. Mexiko ist nach Angaben des Dachverbands der nationalen Bierbrauer der viertgrößte Produzent und der größte Exporteur (Hauptabnehmer sind die USA). 2018 wurden 120 Millionen Hektoliter an Bier produziert. Corona, das ist im Ausland Mexiko, ganz zu schweigen von Marken wie Tecate, Sol, Pacífico, Dos Equis, Carta Blanca, Estrella, Victoria, Negra Modelo oder Indio. Aber in Supermärkten, im Internet oder in den vielen kleinen Lädchen des Landes sind Corona & Co. Mangelware oder gar nicht mehr aufzutreiben. Die Produktion ruht, die Lagerbestände sind erschöft. Ausgenommen sind ausländische Importmarken oder Craft-Biere.
Das hat mit dem gleichnamigen Virus zu tun: Ende März verkündete die mexikanische Regierung einen Produktionsstopp für all die Unternehmen, die nicht als „esencial“, als wichtig, betrachtet wurden, und daher zur Bekämpfung der Corona-Pandemie ihre Arbeit ruhen lassen sollten. Tja, und Anfang Mai war das vorhandene Bier dann alle.
Das löste lustige Tweets aus, Hashtag „#laúltima chela“. Das letzte Bier. Oder je nach Vorliebe auch „Caguama“, wie die Mexikaner eine preisgünstige Riesenflasche nennen mit einem Umfang von 940 Millilitern. Benannt sein soll die Riesenflasche in Anlehnung an die tortuga caguama, eine Schildkrötenart. Da kann man auch wie in diesem Tweet den Gott der Caguama um seinen Segen, äh Bier, bitten …
Witzig, neh? Der Notstand fand auch eine kurze Erwähnung im deutschen Nachrichtenstrom, ist für Bierfreunde hier aber bittere Realität. Das Hefeprodukt gibt es nicht, Flasche leer. In einer Chedraui-Filiale, eine hiesige Supermarktkette, stand ich im „Bier“-Gang. Es gab viel alkoholfreies Corona (scheint ein Ladenhüter zu sein), irgendwas aus dem Ausland, etwas Cerveza artesanal, also Craft-Beer … und das war es. Die Regale waren großzügig mit Säften aufgefüllt.
Hinzu kommt die in verschiedenen Gemeinden und Stadtteilen der Hauptstadt behördlich angeordnete „Ley Seca“. Das „Trockengesetz“ meint ein Verkaufsverbot von Alkoholika – auch dank Corona-Pandemie, aber dies zur Vorbeugung geselliger Zusammenkünfte und vielleicht auch häuslicher Gewalt. Bei so einer „Ley Seca“, die in Mexiko in der Regel im Vorfeld politischer Wahlen oder ansonsten sauffreudiger Dorf- oder Stadtteilfesten verhängt wird, werden Supermarktregale voller Wein-, Tequila- oder Bierflaschen rigoros mit Absperrbänden abgesichert oder in Folien eingewickelt. Manchmal sieht man auch Bauzäune drumherum. Pech, wer nicht vorher einen Bestand gesichert hat. Denn Alkohol trinken, das war und ist weiterhin erlaubt.
Vor Kurzem konnte ich in einem Mini-Markt bei uns in der Nähe zufälligerweise sechs Flaschen Coronita ergattern. „Me las volaron“, kommentierte der Kassierer nur, die seien sozusagen ruckzuck weggegangen („weggeflogen“ wäre die wortwörtliche Übersetzung). Sechs Flaschen nahm ich mit, mehr ging leider nicht, da der Rucksack schon damit aus allen Nähten platzte. Und die sind auch schon wieder leer. Wird also Zeit, dass die Produktion wieder anläuft. Zum Glück gibt es weiterhin Wein, Tequila, Mezcal, Limonadas, Naranjas und Wasser.
Die Bürgermeisterin von Mexiko-Stadt, Claudia Sheinbaum, hat nun angekündigt, dass Brauereien in der Stadt (neben anderen Wirtschaftsbranchen) ab 1. Juni wieder ihre Produktion aufnehmen dürfen – als Teil ihres Plans zur Rückkehr in die „neue“ Normalität. Das betrifft diverse Kleinbrauereien und einen großen Standort von Grupo Modelo, den Produzenten des beliebten Corona. Die Brauerei steht in der Nähe des noblen Stadtviertels Polanco und dürfte bald ihr 100-jähriges Bestehen feiern.
Aber wir werden, das befürchte ich, demnächst im oder vor dem Supermarkt Schlange stehen, um unsere Lieblingsbiere zu ergattern. Denn die größten Bierproduktionsstätten liegen einem Medienbericht zufolge in anderen Städten des Landes, und es seien jetzt Maßnahmen wie die in Mexiko-Stadt notwendig. Dumm, dass nun auch das letzte Corona 0,0 aus unserem Vorrat weggetrunken ist ….