Ausgerechnet am in der Erinnerung so belasteten 19-S, dem Jahrestag der Erdbeben von 1985 und 2017, schreckt ein Alarm zur Mittagszeit die Bewohner von Mexiko-Stadt auf. Diesmal blieb es Berichten und Erkenntnissen zufolge ruhig – anders als bei den vorangegangenen „Temblores“.
Es ist ja nicht so, dass der Boden in Mexiko ruhig ist: Erdbeben sind in diesem Land fast schon Teil des Alltags, regelmäßig warnt der Vorsorgedienst vor „Sismos“ am Pazifik oder im Binnenland. Daher findet jedes Jahr am 19. September in Mexiko-Stadt und umliegenden Bundesstaaten der „Simulacro“ statt. Die Katastrophenschützer proben die schnelle Evakuierung von Gebäuden und Sicherung der Menschen – sowohl in Büros als auch in Schulen. In der ganzen Stadt ertönen dann zu einer bestimmten – und zuvor angekündigten – Uhrzeit die Erdbeben-Alarmsirenen („Alerta sísmica“). So ein Simulacro läuft organisiert ab, mit Katastrophenschutzhelfern in den Unternehmen und Behörden. Und die Übung dient auch dazu herauszufinden, welche dieser Sirenen nicht funktionieren. SASMEX nennt sich dieser Dienst, in Betrieb ist er seit 1991. Sensoren an der erdbebengefährdeten Pazifikküste registrieren Erschütterungen und können so frühzeitig die Menschen in Mexiko-Stadt warnen. Vorlaufzeit: etwa 50 Sekunden bis zwei Minuten, je nach Entfernung.
Verhalten beim Erdbebenalarm: Ertönen die Sirenen, und befindet man sich nah am Ausgang eines Gebäudes? Raus. Bei großen Anlagen gibt es markierte und sichere Versammlungspunkte, auch im Freien drohen Verletzungen durch umstürzende Außenmauern, Bäume oder Stromleitungen. Wer aber etwa zu weit oben in einem Gebäude hockt, sobald der Alarm ertönt, sollte im Innern abwarten – und standfeste Wandecken aufsuchen statt instabilerer Fensterseiten. Eine Flucht mitten im Beben über Treppengänge wird nicht angeraten. In der Regel weisen spezielle Tafeln in Räumen darauf hin, welche Vorgehensweise empfohlen wird.
Nach dem verheerenden Erdbeben vom 19. September 1985, als der Boden am Morgen plötzlich drei lange Minuten bebte (8.1 auf der Richterskala) und tausende Menschen unter den herabstürzenden Trümmern ihrer Häuser ums Leben kamen, hatten die Behörden diese Übung eingeführt. Schließlich wackelt immer wieder die Erde unter der Millionen-Metropole. Oft bleibt es dann beim „Susto“, dem Schreck und der Aufregung.
Doch vor fünf Jahren bebte es in Mexiko-Stadt – ausgerechnet am 19. September – erneut mit heftiger Intensität, diesmal zur Mittagszeit. Das Beben mit der Stärke 7.1 wurde nah der Stadt ausgelöst, das Frühwarnsystem konnte nicht rechtzeitig vorwarnen. Mehrere Gebäude stürzten beim Erdbeben 2017 ein, darunter Teile der Schule Colegio Rebsamen. Fast 400 Menschen starben. Erst zwei Stunden zuvor war die alljährliche Übung abgehalten worden, in der eingestürzten Schule hatten sich Kinder und Lehrer wieder in die Klassenräume begeben, als es bebte.
Dass es nun zufälligerweise wieder an einem 19. September bebte – und fast zeitgleich wie der „Sismo“ von 2017 zur Mittagszeit – das dürften einige schon als Schicksalsschlag hinnehmen. Im Internet kursierten prompt Aussagen wie „19. September auf den 29. Februar verschieben“.
Wie vor fünf Jahren war die große Übung kurz zuvor abgeschlossen worden, als die Sirenen erneut ertönten. Das Beben wurde an der Pazifikküste in etwa 440 Kilometer Entfernung ausgelöst, diesmal mit einer Intensität von 7,7 auf der Richterskala.
Zumindest in Mexiko-Stadt waren keine Menschenleben zu betrauern (nahe am Epizentrum, im Bundesstaat Colima, gab es hingegen zwei Tote). „Todos bien“, schreibt eine Bekannte, alle sind wohlauf. Noch am Abend teilte die Stadtverwaltung mit, dass 21 Gebäude Schäden davongetragen hätten wie beispielsweise Risse im Mauerwerk. Da bleibt nur zu hoffen, dass es auch zukünftig glimpflich verläuft.